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16. Juli 2014
Redaktion
Gestaltung

Vliestapeten verarbeiten: Probleme und Lösungen

Heute findet Tapete überwiegend in Vlies statt. Sind alle Probleme bei der Verarbeitung von Vliestapeten gelöst? Wir haben bei Praktikern aus der Malerbranche nachgefragt. Ihr Meinungsbild greift Fragen unserer Leser auf.
Vliestapeten
Foto: Arte International
Bei solch dunklen Ta­pe­ten stören Nahtblit­zer bes­on­ders.

Probleme im Nahtbereich

Martin Deimel, von der Technischen Beratungsstelle des westfälischen Landesinnungsverbands weiß: »Bei fertigen Vliestapeten kann es zu Nahtblitzern kommen, die sich nach dem Tapezieren und nach der Trocknung des Klebemittels störend in der Fläche abzeichnen.« Erwin Schröter, Malermeister aus Stuttgart, kennt das Problem auch: »Sehr selten, aber dennoch gibt es ab und zu welche. Durch leicht andersfarbig nuancierte Bereiche gibt es im Stoßbereich sichtbare Unterschiede; trotzdem ist die Druckqualität generell sehr gut.« Lothar Steinbrecher, vielen als der Tapetenpapst geläufig, bestätigt: »Gravierende Probleme mit Vliestapeten gibt es zwar nicht, aber minimale Tapetennahtveränderungen wie Nahtöffnungen treten öfter auf.« Er benennt auch gleich die Gründe des Problems: »Die Ursache hierfür kann in der Untergrundvorbehandlung, beim Klebemittel oder auch in der Trocknung der Tapezierung liegen.« In die gleiche Richtung argumentiert Susanne Reichte Kate, Technische Bevollmächtige bei HenkelMetylan: »Grundsätzlich macht es die Vliestapete dem Verarbeiter in erster Linie einfacher. Die Kombination einer hochwertigen Vlieswandbekleidung mit einem darauf abgestimmten Qualitätsklebemittel auf einem tapezierfähigen Untergrund steht für hohen Verarbeitungskomfort sowie sichere Entfernbarkeit im Renovierungsfall. Probleme können sich natürlich auch hier ergeben, wenn zugesicherte Eigenschaften wie z. B. die Dimensionsstabilität nicht gegeben ist oder der Untergrund nicht entsprechend geprüft und fachlich nicht richtig vorbereitet wurde oder auch ein nicht empfohlenes Klebemittel zum Einsatz gekommen ist.

Der Systemgedanke, die Verwendung von aufeinander abgestimmten Produkten sowohl für die Untergrundvorbehandlung als auch für die Verklebung ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig, wird aber zum Teil unterschätzt.« Martin Deimel nennt noch einen weiteren, sehr wahrscheinlichen Grund für die Nahtprobleme, den Susanne Reichte Kate anklingen ließ: »Die Ursache kann in der schwankenden Qualität bei den Trägervliesen liegen.« Er meint damit die Unterschiede zwischen Billig und Qualitätsprodukten. »Trotz der grundsätzlichen Dimensionsstabilität kann es zu minimalen Dimensionsänderungen kommen. Und das kann dann in der Wandklebetechnik im Nahtbereich eben zum Aufstellen des Vliesmaterials und somit zu so genannten Spitznähten führen.« Um als Maler auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt Martin Deimel: »Maler sind gut beraten, preiswerten Vliestapeten vor dem Tapezieren eine kleine Weichzeit zu geben. Ausreichend ist die Zeit vom Zusammenlegen der Bahn auf dem Tisch bis zum direkten Verkleben an der Wand.«

Den Untergrund richtig vorbereiten

Dass ein gutes Arbeitsergebnis von der sorgfältigen und fachgerechten Untergrundvorbereitung abhängt, ist eine Binsenweisheit, die sich gerade bei Tapezierungen immer wieder bestätigt. Doch worauf kommt es bei der Untergrundvorbereitung an? Susanne Reichte Kate steckt den Rahmen ab: »Hier weise ich auf die gültigen technischen Regelwerke, speziell die BFS-Merkblätter 7 und 16 hin. Als erstes ist auch hier die Tapezierarbeit als System mehrerer Komponenten zu sehen. Dazu gehören die Untergrundprüfung sowie die fachgerechte Untergrundvorbereitung mit geeigneten Materialien wie Spachtelmassen und Grundierungen.« Rüdiger von Preen, Vertriebsleiter Groß und Fachhandel (Profi), beim Tapetenhersteller A. S. Création, nennt eine wesentliche Grundvoraussetzung: »Der Maler muss immer auf einen einfarbigen, sorgfältig vorbereiteten und saugfähigen Untergrund achten. Nur dann, in Verbindung mit dem korrekten Vlieskleister, kann er ein optimales Ergebnis erzielen. Bei Reklamationen müssen wir leider immer wieder feststellen, dass ein Fehler sehr häufig aus der Untergrundbeschaffenheit her resultiert.« Arne Weiß, der bei Pufas die Anwendungstechnik leitet, warnt: »Voranstriche mit Dispersionsfarben, um die unterschiedliche Farbigkeit von Untergründen zu egalisieren, sind grundsätzlich falsch. Hier sollten spezielle Tapetengrundierungen eingesetzt werden, um eine Wasseraufnahmefähigkeit des Untergrundes zu garantieren und den Untergrund nicht zu stark abzusperren.«

Holger Borowski, Anwendungstechniker beim Tapetenhersteller Rasch bestätigt: »Leider werden Untergründe häufig falsch grundiert wie z. B. mit hochwertigen Dispersionsfarben oder Tiefgründen. Hier wird der Untergrund oftmals zu stark abgesperrt und ist nicht mehr ausreichend saugfähig.
 Dort kann der Kleister sich nicht festhalten, und die Nahtbereiche ziehen nach Tagen oder sogar noch nach Wochen auseinander,
da die Tapete keine richtige Haftung zum Untergrund findet.« Er empfiehlt zur Vorbereitung einen weiß pigmentierten Tapetengrund.
»Diese Grundierung stellt den Untergrund farblich neutral ein, und verhindert ein Durchscheinen des Untergrundes.
 Sie ist leicht gekörnt und gewährleistet somit, dass sich der Kleister richtig am Untergrund verkrallen kann.« HansPeter Wagner, Leiter Anwendungstechnik bei der Marburger Tapetenfabrik, präzisiert: »Ein neuer Gipsputz braucht oftmals nur mit verdünntem Kleister vorgekleistert zu werden, um dann nach der Trocknung einen optimalen Tapezieruntergrund abzugeben. Dies gilt auch für vollflächig mit gipshaltiger Spachtelmasse gespachtelte Flächen. Bei hellgrundigen Vliestapeten im mittleren Preissegment ist ein Vorstrich mit Pigmentierten Tapetengrund dann wichtig, wenn der Untergrund mehrfarbig ist (insbesondere bei Gipskarton). Im HochwertSektor und zur Sanierung empfehle ich gerne eine Vliesmakulatur, z. B. Patent Vlies Premium, zur Untergrundvorbehandlung. So erhalte ich einen optimalen, gleichmäßig saugenden und farbig einheitlichen Tapezieruntergrund.«

Lothar Steinbrecher fasst die Möglichkeiten, die der Maler hat, zusammen und rät: »Der zu tapezierende Untergrund muss den Anforderungen der Tapete und der Tapezierarbeit entsprechen. Nicht tragfähige Untergründe müssen mit Tapetengrundiermitteln behandelt werden, also nicht irgendwelche ungeeignete Grundiermittel verwenden. Der Untergrund darf mit einer Grundierung nicht abgesperrt werden. Glatte tragfähige, aber sehr stark saugende Untergründe können mit einem verdünnten Vlieskleister grundiert werden. Bei hellgrundigen, transparenten Vliestapeten ist ein gleichmäßig einheitlich heller Untergrund erforderlich. Hierfür keine Dispersions oder Latexfarben verwenden, sondern nur eigens dafür entwickelte pigmentierte Tapetengrundiermittel einsetzen. Bei hochwertigen, schweren Vliestapeten ist es empfehlenswert ein RenovierGlattvlies vorzukleben.« Malermeister Erwin Schröter schildert seine Erfahrungen: »Die Untergrundvorbereitung muss generell sorgfältig erfolgen. Auch eine leicht strukturierte Tapete benötigt einen glatten Untergrund; wir schleifen grundsätzlich maschinell bei künstlichem Streiflicht und schaffen einen gleichfarbigen Untergrund bei hellen und nicht gut abdeckenden Vliestapeten. Grundsätzlich kleben wir im Wandklebeverfahren. Beim Andrücken nie direkt mit dem Werkzeug auf der Oberfläche und grundsätzlich mit frischer Cutterklinge schneiden, bei Glasperlentapeten mit dem Hakenmesser von hinten.«

Vliestapeten tapezieren: Das Klebemittel muss passen

Klar ist, dass auch das Klebemittel Einfluss auf das Tapezierergebnis hat. Susanne Reichte Kate gibt die Empfehlung, für Standardverklebungen in der Regel ein Klebemittel mit mittlerem Festkörpergehalt wie z. B. Metylan direct oder Metylan TG Power Granulat plus zu wählen. »Damit ist im Renovierungsfall die Trockenabziehbarkeit gewährleistet. Die Kategorisierung der Klebemittel und die Entwicklung der neuen Piktogramme in den BFSMerkblättern 1 und 16 helfen bei der. Hier erkennt man auch gut wie Klebemittel und Entfernbarkeit korrespondieren.« Darüber hinaus rät sie, die Herstellerangaben zur Verwendung des geeigneten Klebemittels und auch zur Art der Verarbeitung zu beachten. Arne Weiß gibt als Klebeempfehlung den Tipp: »Je höher die Grammatur des Trägermaterials, umso so höher sollte auch der Feststoffgehalt des Kleisters sein.« Und Hans Peter Wagner führt aus: »Als Klebemittel für mittelschwere Vliestapeten eignen sich gut Roll oder Direktkleister im Ansatz 1:20. Für schwere Vliestapeten und überstreichbare Ware sind die wasserarmen Klebemittel im Ansatz 1:10 oder 1:12 vorzuziehen.« Eine detaillierte Anleitung zum Tapezieren in Wandklebetechnik gibt Hans Peter Wagner: »Den Kleister mit einer kurzflorigen Rolle gleichmäßig auf die Wand rollen, wobei die Betonung auf gleichmäßig liegt; so genannte Kleisternester müssen vermieden werden. Vliestapeten können aber auch durch das Kleistergerät gezogen und sofort tapeziert werden. Das ist meine Lieblingsmethode, da ich so immer gewährleiste, einen gleichmäßigen Kleisterauftrag zu haben. Susanne Reichte Kate ergänzt: »Bei der Verwendung eines Kleistergeräts sind keine Weichzeiten vorzuschalten, sondern die Bahn kann direkt nach dem Durchziehen durchs Gerät verklebt werden. Das Andrücken der Bahnen sollte immer gründlich geschehen, Luftblasen sind zu entfernen. Im Gegensatz zu der Verklebung von Papierwandbekleidungen ziehen sich Luftblasen unter verklebten Vlieswaren im Zweifelsfall nicht mehr weg.«

Für das Andrücken der Bahnen auf den Untergrund gibt es klare Meinungen. Rüdiger von Preen meint: »Ungeeignetes Werkzeug kann das Tapezierergebnis negativ beeinflussen. Die Vliestapete darf nicht durch zu festes Anrollen mit der Moosgummirolle in der Länge verändert und damit der Ansatz des Musters verändert werden.« Susanne Reichte Kate präzisiert: »Für das Andrücken der Bahnen kann das Werkzeug verwendet werden, welches die Vorderseite der Wandbekleidung zulässt. Bei robusten Vorderseiten kann das ein Tapezierspachtel sein, bei empfindlichen Oberflächen muss es eine Moosgummirolle sein. Das Beschneiden von Vlieswandbekleidungen ist normalerweise ebenfalls sehr komfortabel und kann mit einem Cuttermesser entlang einem Tapezierspachtel oder Flächenrakel erfolgen.« HansPeter Wagner beschreibt seine Methode: »Ich nehme den Tapezierwischer und fixiere die Tapete lotrecht an der Wand. Je nach Art nehme ich dann eine Moosgummirolle zum Nachrollen. Die Nähte behandele ich mit einem konischen Nahtroller (wenig Druck), es sollte kein Klebemittel rausgequetscht werden. Mit dem Tapezierspachtel und einem Cuttermesser beschneide ich die Tapete. Gelegentlich kommt die Tapezierschiene zum Einsatz.«

Foto: manuta/Adobe Stock
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