Regeln müssen sein

Vorschriften und andere Regelungen sind lästig, sagen die einen. Sie sind sinnvoll und helfen, meinen die anderen. Und dann ist der Begriff Unfallverhütungsvorschriften seit jeher ein Reizwort, weil man meint, die seien gar nicht nötig und würden nur bei der Arbeit behindern und bevormunden. Es gibt sogar Stimmen, die meinen, derartige Regeln einzuhalten würde Wettbewerbsnachteile bringen.

Wer einmal am Krankenbett eines verunglückten Mitarbeiters oder Kollegen gestanden hat, wird die letzte Meinungsäußerung kaum ernst nehmen können. Dann wird vom dummen Zufall gesprochen – »ein Mal nicht aufgepasst – schon passiert« – und andere Ausflüchte gesucht. In Wahrheit sind grundsätzliche Vorschriften für Sicherheits- und Gesundheitsschutz außer Acht gelassen worden. Nachdem das Berufsgenossenschaftliche Regelwerk erst vor ein paar Jahren von VBG, ZH/1 usw. sauber zu BGV, BGR, BGG und BGI umstrukturiert wurde und so langsam die Nummern der Vorschriften im Gedächtsnis verankert sind, habe sich ein paar unterbeschäftigte Beamte ein neues Durcheinander ausgedacht.

Die Regelwerk heißt nun nicht mehr „BG-Regelwerk“, sondern „DGUV-Regelwerk“. Gut, es verschwinden (hoffentlich) ein paar Vorschriftenbezeichnungen wie GUV, aber – reicht so etwas?!

Nachdem die Nummerierung einen einigermaßen Sinn ergeben hat, wurde jetzt alles zerschlagen. Aus BGV wird nun „DGUV Vorschrift x“ – x steht da für eine fortlaufende Nummerierung, die bei höheren Ziffern aber von der alten abweicht. Natürlich gibt es nach wie vor Ausgaben der verschienenn BGen.

Aber: Die soll es bei ex-BGR, und -I aber eigentlich nicht mehr geben: Da steht jetzt eine Kombination aus zwei 3-stelligen Zahlen: „abc-def“. Der erste Block ist die Kennziffer der BG, der zweite die Nummerierung der Regelung. Aber glauben Sie nun ja nicht, dass aus BGR 117-1 (Silos) die DGUV Regel „xyz-117“ geworden wäre, nein, es muss die völlig neue Nummer „113-004“ – kann sich ja auch sofort jemand merken!

Dafür gibt es ein dickes Buch namens „Transferliste“ – man hat ja auch sonst nicht zu tun, als sich neue Nummern einzuprägen, wobei das bekanntlich immer schwieriger geht, je länger die sind. Aber das ficht Verwaltungsbeamte natürlich nicht an – die haben ja Zeit genug.

Ein paar Regelungen wurden durch die Umstellung entrümpelt, leider jedoch nicht genug.

Deregulierung

Deregulierung heißt weniger Vorschriften, sinnvollere Vorschriften, keine doppelten oder dreifachen, sich teilweise widersprechende Vorschriften. Es heißt nicht: »Keine Vorschriften«!

Was ist aus dem Ansatz geworden? Riesige Pressemitteilungen, dass man wieder so und soviel »Vorschriften« außer Kraft gesetzt hat. Toll, wenn man die dann alle in der DGUV Regel 100-501 konserviert wiederfindet – wer will denn schon auf jahrelange Erfahrung verzichten.

Nach nunmehr fast 20 Jahren (die Betriebssicherheitsverordnung wurde 2002 in Kraft gesetzt) hat sich die „(De-)“ Regulierungswut auf ein vernünftiges Maß eingependelt. Es gibt zwischenzeitlich für fast alle Bereich Technische Regeln, die wie die TRBS 2121 sogar für einen verbesserten Arbeitsschutz verbessert werden. So ist es ab 01/2019 beim Gerüstbau Pflicht, ab 5 m Aufstiegshöhe einen Treppenaufgang einzubauen (Ausnahme: Einfamilienhäuser) und die Arbeitszeit auf Leitern ist nun gesetzlich auf 2 h/Tag begrenzt, wenn man auf einer Standhöhe von > (über) 2 m arbeitet. Dass eine Stufen-Leiter für die Füßen der Mitarbeiter besser ist und das Unfallgeschehen im Gegensatz zu einer Sprosse-Leiter reduziert, wollen allerdings die Ewig-Gestrigen nicht begreifen. Vielleicht fehlt ab einer gewissen Hierarchiestufe der Schmerz eines Unfalls – dann diese Protagonisten arbeiten ja meist selbst nicht auf Sprossenleitern...