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23. März 2020
Redaktion
Personal Gesundheit

„Muskel-Skelett-Erkrankungen stehen an erster Stelle“

Fehlzeiten, bedingt durch Krankheiten, können kleine und mittlere Betriebe in große Schwierigkeiten bringen, insbesondere dann, wenn das Personal ohnehin knapp ist. Ein Gespräch mit dem Pressereferenten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund über neuartige Erkrankungen, deren Gründe und mit welchen Maßnahmen Betriebe gegensteuern können.
Foto: BAuA
Jörg Feldmann, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund.

In den mehrheitlich kleinen und mittleren Betrieben im Handwerk ist es schwer, schnell Ersatz für krankheitsbedingte Ausfälle zu bekommen, sodass das Fehlen von Kollegen gravierende Folgen für die Arbeitsabläufe haben kann. Überstunden müssen geschoben, zugesagte Termine verschoben werden. Die Vertretung kostet Geld, ebenso angeordnete Mehrarbeit, darüber hinaus ist der Organisationsaufwand größer. Gleichzeitig bleiben die Lohn- und Gehaltsforderungen des abwesenden Mitarbeiters bestehen. Kurzum: Fehlzeiten verursachen Kosten. Je niedriger die Fehlzeiten, desto besser für das Unternehmen. Im Interview spricht Jörg Feldmann, Pressereferent der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund, über den Wandel der Erkrankungen in den vergangenen Jahren und welche Maßnahmen Betriebe anwenden können, um die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten.

Mappe: Herr Feldmann, welche Erkrankungen oder Gefährdungspotenziale sind in den letzten 20 Jahren in der Arbeitswelt hinzugekommen?
Jörg Feldmann: Die Nanotechnologie hat beispielsweise die Gefahren durch Stäube und Fasern, die tief in die Lunge eindringen, deutlich gemacht. Die Gefährdung durch natürliche UV-Strahlung beim Arbeiten im Freien wurde erkannt und weißer Hautkrebs als Berufskrankheit anerkannt.

Woran liegt es, dass sich diese neuen Erkrankungen entwickeln?
Der technische Fortschritt hat die Arbeit nicht nur erleichtert. Die Digitalisierung der Arbeitswelt beschleunigt und verdichtet tägliche Arbeitsabläufe durch verkürzte Reaktionszeiten und effizientere Steuerungsmöglichkeiten. Insbesondere die Globalisierung kann neue Krankheitserreger wie Sars-CoV-2 schnell ausbreiten und Pandemien auslösen.

Welche Folgen haben der Fachkräftemangel oder der demografische Wandel für die Betriebe im Hinblick auf das Gesundheitsmanagement und den Krankenstand?
Der Fachkräftemangel ist eine Folge des demografischen Wandels, die Erwerbsbevölkerung ist überaltert. Für die Betriebe ist es wichtig, die Arbeitsfähigkeit ihrer Beschäftigten zu erhalten. Ältere Beschäftigte sind zwar seltener arbeitsunfähig, fallen jedoch eine längere Zeit als jüngere Beschäftigte aus.

Warum?
Das ist oft auf langjährige Fehlbelastungen des Körpers zurückzuführen. Sowohl schlechte Arbeitsgestaltung wie zum Beispiel dauerhaft schweres Heben und Tragen, als auch ungesunde Lebensführung, Übergewicht oder Alkoholmissbrauch kommen allein oder in Kombination als Auslöser in Frage.

Welche Maßnahmen gibt es, um die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten?
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement kann bei der Verhaltensprävention wichtige Aufgaben übernehmen, indem es Wege zum gesundheitsgerechten Verhalten aufzeigt und Beschäftigen Aufklärung in bestimmen Themen anbietet wie beispielsweise gesunder Ernährung, Suchtprävention, Erholung oder körperschonenden Arbeitsweisen.

Wie ist das Verhältnis von Arbeitsunfällen und sonstigen Erkrankungen?
Die Frage lässt sich nicht beantworten, da hier Daten aus zwei Sozialversicherungen verglichen werden sollen. Die Unfallquote hat sich zwischen 1998 und 2018 halbiert, von 42,2 sank sie auf 24,2 Prozent. Hierzu gibt es Zahlen der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Krankenkassen, als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, müssen keine zentralen Daten liefern und differenzieren das Unfallgeschehen nicht in Arbeitsunfälle oder Unfälle in Heim und Freizeit.

Aber es gibt doch jährliche Schätzungen zum Arbeitsunfähigkeitsgeschehen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für den jährlichen Bericht der Bundesregierung „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“.
Einige Bundesverbände der Krankenkassen liefern Daten dafür, ja. Jedoch führen diese Daten lediglich Diagnosegruppen auf. 2018 war etwa jeder zehnte AU-Tag durch eine Verletzung oder Vergiftung verursacht. Muskel-Skelett-Erkrankungen stehen, seitdem es den Bericht gibt, an erster Stelle und verursachten 2018 21,1 Prozent aller AU-Tage. In den vergangenen 20 Jahren ist der Anteil der AU-Tage aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen gestiegen und liegt jetzt auf Rang zwei mit 15,8 Prozent. 1998 waren es nur 5,8 Prozent der AU-Tage.

Wann braucht ein Betrieb ein BGM, ein Betriebliches Gesundheitsmanagement?
Während jeder Betrieb eine sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung braucht, wird das BGM als Managementprozess betrachtet, der zielgerichtet gesundheitsförderliche Maßnahmen, Strukturen und Prozesse integriert und steuert. Dies ist auch in kleinen und mittleren Unternehmen möglich, wenn Ziele und Strategien gemeinsam mit den Beschäftigten entwickelt und umgesetzt werden. Wichtig ist, dass diese Prozesse dauerhaft angelegt werden und nicht als gelegentliche Einzelmaßnahme verpuffen.

In der Literatur wird oft angeführt, dass ein gutes Betriebsklima helfe, den Krankenstand niedrig zu halten. Welche Erfahrungen haben Sie damit?
Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigen, dass soziale Unterstützung eine wichtige Ressource ist, um die Anforderungen am Arbeitsplatz zu bewältigen. Das gilt sowohl für die Unterstützung durch Vorgesetzte als auch durch Kollegen. Wertschätzung, vertrauensvoller Umgang miteinander und eine konstruktive Fehlerkultur beugen nicht nur psychischer Belastung vor, sondern schaffen auch ein Betriebsklima, in dem gesundheitliche Probleme angstfrei angesprochen werden können, um frühzeitig oder präventiv eingreifen zu können. Beide Faktoren tragen zu einem »gesünderen« Umgang miteinander bei.

„Neben den Freiräumen ist es wichtig, Fehler und Scheitern zu akzeptieren“
Stephan Rahn ist General Manager für Unternehmenskommunikation bei 3M. Der Multitechnologiekonzern 3M wurde 1902 in Minnesota, USA, gegründet und zählt heute zu den innovativsten Unternehmen weltweit. Im Mappe-Interview spricht Stephan Rahn über die Bedeutung von Kreativität - gerade für mittelständische Betriebe aus dem Handwerk. [tttgallery id="1172"] Mappe: Herr Rahn, Digitalisierung, Industrie 4.0 und Kreativität – wie passt das zusammen? Stephan Rahn: Das hat nie besser zusammengepasst als jetzt. Wir erleben gerade eine Hochzeit der Kreativität, die sich insbesondere in der Kombination mit Industrie 4.0 und der Digitalisierung sehr gut für die Abwicklung von Standardprozessen durch Maschinen nutzen lässt. Je mehr wir das nutzen, desto mehr Freiräume entstehen für kreative Prozesse. Wenn dann alle Unternehmen dieselben Standardprozesse fahren, ist es entscheidend sich zu differenzieren – mit neuen Modellen, neuen Ideen. Kreativität ist der Treibstoff für Veränderungen. Disruption ohne Kreativität funktioniert nicht. Entscheidend sind jedoch IMMer Menschen, die neue Verbindungen schaffen, beispielsweise in der Interaktion mit Kunden. Mappe: Wie sehen Sie den Boom bei Start-Up-Unternehmen im Zusammenhang mit Kreativität?  Stephan Rahn: Es besteht momentan eine regelrechte PionierstIMMung, es ist viel in Bewegung, denn alles ist irgendwie möglich. Junge Menschen erleben, dass sich traditionelle Modelle auflösen. Jeder, der kreativ ist, kann seine Ideen in einem Start-up umsetzen. Voraussetzung sind Leidenschaft, gepaart mit wirtschaftlichem bzw. Marktverständnis und ein gutes Maß an Kreativität. Daher kommt der momentane Boom, vom dem sich im Übrigen nicht nur Konzerne, sondern auch das Handwerk sehr gut befruchten lassen kann. Mappe: 3M lässt sich auch von seinen Kunden gerne inspirieren. Wie funktioniert die CII (Customer Inspired Innovationen) bei 3M konkret? Stephan Rahn: Wir sind keine Forscher im Elfenbeinturm. Jährlich kommen 7.000 Kunden zu uns um die 3M-Welt kennenzulernen, im Laborbereich, in der Anwendung etc.. Dort wird beispielsweise über den Einsatz von Schleifmitteln diskutiert, was verändert oder verbessert werden kann. Unsere B2B-Kunden haben ein besonderes Vertrauensverhältnis und kommen mit konkreten Alltagsproblemen zu uns. Entweder zeigen wir ihnen dann eine bereits vorhandene 3M-Lösung, die sie noch nicht kannten oder wir entwickeln ein neues Produkt. Mappe: Wie könnten Handwerksbetriebe von den Problemen und Ideen ihrer Kunden profitieren? Stephan Rahn: Kleine Unternehmen sind viel beweglicher als Konzerne, die eher wie Supertanker agieren. Wir müssen schon mehr Aufwand treiben, beispielsweise um Kunden zu uns nach Neuss einzuladen. Handwerksbetriebe können hier Schnellboote sein, denn das Team ist eng an den Kunden dran und kann direkt von deren Rückmeldungen profitieren. Einfach bei den Kunden nachfragen, wo diese Verbesserungspotenzial sehen, sei es konkret bei der Dienstleistung beim Kunden oder beim Webauftritt. Verbraucher haben ja auf vielen Ebenen Erfahrungen mit der Industrie. Davon könnten Handwerksbetriebe profitieren, indem sie Elemente aufgreifen, beispielsweise, was die Interaktion mit Kunden im Internet angeht. Eine Möglichkeit ist, dem Kunden nach der Abnahme einen Feedbackzettel zu geben. Oder der Chef ruft an und erkundigt sich, ob der Kunde mit dem Ergebnis zufrieden ist oder ob es Verbesserungsvorschläge gibt. Mappe: Wie hat sich der Stellenwert der Kreativität als Kompetenz im Job bei 3M in den letzten 3 Jahrzehnten entwickelt? Stephan Rahn: Im Grunde ist unser Unternehmen ein Spiegel der Gesellschaft. Wir haben ja schon IMMer den Start-up- oder Gründer-Spirit im Unternehmen verankert. Kreativität war schon IMMer wichtig und sie wird noch wichtiger, weil sich so viel verändert. Wir sind dankbar für jeden kreativen Mitarbeiter, genauso wie für diejenigen, die die Prozesse abarbeiten und Standardarbeiten machen. Mappe: Welche Konzepte helfen aus Ihrer Erfahrung am besten, die Kreativität der Mitarbeiter zu fördern? Stephan Rahn: Neben den Freiräumen ist es wichtig, Fehler und Scheitern zu akzeptieren. Wir setzen zum Beispiel ganz bewusst erfahrene Manager ein, die schon mal etwas »an die Wand gefahren« haben. Ein positives Menschenbild ist die Voraussetzung auf der Chefetage, genauso wie Mitarbeiter, die wollen, dass das Unternehmen erfolgreich ist. Jeder muss sich auf den anderen verlassen können. Hilfreich ist, sich regelmäßig zusammenzusetzen und die Mitarbeiter zu ermuntern, ihre Anregungen, Ideen und Kritikpunkte einzubringen, ohne, dass jemand Angst haben muss. Auch junge Menschen zu Wort kommen lassen. Es muss klar sein, dass jede Idee willkommen ist. Mappe: Welche Bedeutung könnte die Kreativität für KMU und Handwerksbetrieb im Hinblick auf den Fachkräfte- und Albuminmangel haben? Stephan Rahn: Das Handwerk sollte mehr nach außen kommunizieren, dass es auch »Kopfwerk« ist. Junge Menschen ansprechen in dem Sinne: »Wir brauchen Dich für Innovationen«. Sich modern, digital und kreativ darstellen und die Schwellenangst vor der Digitalisierung abbauen. Die Mappe bedankt sich bei 3M-General Manager Stephan Bahn für das spannende Interview.  Weitere Tipps, Tricks und Best Cases wie Unternehmen die eigene Kreativität fördern und dadurch nicht nur erfolgreicher sondern auch zufriedner werden, gibt es in den Trends und Chancen der November-Ausgabe der Mappe. Coverbild: Unsplash/ David Becker Foto:jpm.de
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