Folgen Sie uns
11. Februar 2020
Redaktion
Farbgestaltung

Fassadengestaltung mit unbunten Farben

Die Skala von Hellgrau bis Schwarz ist ein Farbtrend in der Fassadengestaltung. Gleich welche Art von Architektur gebaut oder renoviert wird, Grau in allen Helligkeitsabstufungen bis hin zu Anthrazit und Schwarz steht auf der Beliebtheitsskala der Bauherrn ganz oben ‒ nicht nur in Deutschland, sondern auch in unseren Nachbarländern. Unser Autor gibt Tipps für die Gestaltung mit den unbunten Farben.
Fassadengestaltung
Foto: Joachim Propfe
Das Rot haucht der schmucklosen, grauen Fassade Leben ein.
Fassadengestaltung
Foto: Joachim Propfe
Flächig monochromes Grau wirkt rasch langweilig und wird der Fassadengestaltung aus Strukturflächen und Rillen wenig gerecht. Gerade der starke Helligkeitskontrast zwischen der Fassade und dem Dach sorgt für die Nivellierung der Putzdetails. Pluspunkt: Für das Jugendstilhaus wurde immerhin ein sehr warmes Grau verwendet, das den Altbaucharakter unterstreicht.

Bis vor wenigen Jahren waren es vor allem Materialien wie Schiefer, Granit und andere Natursteine, die einem Gebäude ein markantes, dunkles Äußeres verliehen. Anstriche funktionierten aufgrund der Umwandlung der absorbierten Strahlung in Wärme nicht gut, da sich die Oberflächen zu stark aufheizten, was zu Rissen führte. Heute ist es jedoch möglich, selbst WDV-Systeme nicht nur in intensiv bunten, sondern auch sehr dunklen Farben zu gestalten.

Grund dafür sind Entwicklungen der Farbenindustrie. Es gibt mittlerweile Fassadenfarben, die nicht nur das sichtbare Licht reflektieren, sondern auch die unsichtbare Strahlung. Dadurch wird erreicht, dass sich die Oberfläche weniger stark aufheizt, weil Strahlung, ganz gleich ob sichtbar oder nicht, die eine Oberfläche absorbiert, stets in Wärme umgewandelt wird. Kann eine Oberfläche mehr Strahlung reflektieren, bleibt sie kühler. Diese Eigenschaft beschreibt der TSR-Wert. TSR steht für Total Solar Reflectance. Der TSR-Wert gibt an, wieviel von der auftreffenden Strahlung, auch der nicht sichtbaren, reflektiert wird. Die Skala reicht von 0 bis 100, beim Wert 0 wird keine, beim Wert 100 wird die gesamte auftreffende Strahlung reflektiert. Soll eine Fassade in besonders dunklen Farbtönen – egal ob bunt oder unbunt – gestaltet werden, ist der TSR-Wert von Bedeutung, nicht der Hellbezugswert, der nur die Reflektion des sichtbaren Spektrums des Sonnenlichts angibt. Im Gegensatz zum Hellbezugswert entzieht sich der TSR-Wert einer optischen Kontrolle. Daher wird er von den Farbenherstellern angegeben.

Fassadengestaltung
Foto: Joachim Propfe
Je nach Lichteinfall können Fensteröffnungen bei dunkel gefassten Rahmen und Flügeln wie hohle Öffnungen wirken.
Fassadengestaltung
Foto: Joachim Propfe
Die klassizistische Fassade in neutralem Grau wirkt vergleichsweise kühl. Die Farbfassung ist zwar stimmig, für diesen Gebäudetyp jedoch zu modern.

Unbunte Farben sind leichter in der Anwendung

Weiß, Grau und Schwarz sind unbunte Farben. Sie unterscheiden sich nur durch ihre Helligkeit oder Dunkelheit voneinander. Aus der Sicht des Farbgestalters sind sie in der Anwendung deshalb einfacher. Die Dimensionen des Bunttons und der Farbintensität fallen weg. Gestaltungen aus unterschiedlich hellen Graunuancen besitzen den Vorteil, dass sie von vornherein harmonisch wirken, da sie auf der Basis von Schwarz und Weiß entstehen und so immer gemeinsamen Ursprungs sind. Das gilt natürlich auch für Grau in der Architektur und Fassadengestaltung.

Fassaden in hellen bis mittelhellen Grautönen sind im städtischen Umfeld vergleichsweise unauffällig, man kann sie auch als Fortsetzung des Straßenraums in die Vertikale ansehen. Dunkelgraue bis schwarze Töne sind dagegen eine gestalterische Aussage. Gerade in einem überwiegend hellen und dezent farbigen Umfeld sorgen sie für Aufmerksamkeit. Wird Schwarz flächig eingesetzt, betont es die Silhouette, Details treten in den Hintergrund. Der modernen, detailärmeren Architektur spielt dieser Umstand in die Karten. Eine besonders dunkle oder schwarze Fassade wirkt, als ob sie im Gegenlicht betrachtet würde. Daher hinterlassen freistehende dunkelgraue oder schwarze Gebäude einen besonders starken Eindruck.

Grau und Schwarz besitzen zwar physikalisch andere Eigenschaften als bunte Farben, in der Gestaltung nehmen sie jedoch keine Sonderstellung ein. Deshalb können sie in der Fassadengestaltung wie jeder andere Farbton eingesetzt werden. Im Wechsel mit bunten Farbtönen innerhalb einer Häuserzeile oder einem Wohnviertel mit Einfamilienhäusern sind sie eine willkommene Abwechslung. Im städtischen Umfeld sollte die Entscheidung für Grau sorgfältig abgewogen werden, gerade weil Grautöne durch Straßenbeläge ohnehin schon sehr präsent sind.

Fassadengestaltung
Foto: Joachim Propfe
Die Entscheidung für das Anthrazit ist nachvollziehbar, da das Gebäude an einer vielbefahrenen Straße liegt. Die vorherige Fassung in relativ bunten Farben war schon nach kurzer Zeit stark verschmutzt.
Fassadengestaltung
Foto: Joachim Propfe
Erscheint das gleiche Grau im Gegenlicht, wirkt es kühl und deutlich bläulich.

Tipps für die Gestaltung mit Grautönen

Wie alle anderen Farben verändert sich Grau in Abhängigkeit zur Betrachtungsdistanz, das heißt, je größer der Abstand, desto bläulicher erscheint das Grau. Grautöne unterliegen diesem Phänomen deutlich stärker als bunte Farbtöne. Soll dieser Effekt verhindert werden, wählt man Grautöne, denen etwas Orange beigemischt ist. So wirken sie noch aus der Distanz betrachtet neutral.

Bei Grau tritt gleichfalls der sogenannte Simultaneffekt stärker in Erscheinung. Soll also in einer Zeilenbebauung neben einer rötlichen eine Fassade grau gestaltet werden, wird das Grau je nach Intensität des rötlichen Tons einen scheinbar grünlichen Einschlag bekommen. Um diesen Grünstich zu neutralisieren, wählt man einen Grauton mit einem kleinen Rotanteil.

Für das Gestalten mit Grau und anderen unbunten Farben gilt natürlich auch, was für das Gestalten mit bunten Farben gilt: Am Ende sorgen die wohl abgewogenen Kontraste für Abwechslung und ein lebendiges Erscheinungsbild. In diesem Fall bestimmt ausschließlich der Hell-Dunkel- Kontrast das Aussehen. Aufgrund der um ein Vielfaches höheren Helligkeit im Außenbereich ist das Gestalten mit dunkleren Tönen weniger problematisch als im Innenbereich. Dennoch sollte die Lage eines Gebäudes oder einer Fassade in ihrem Umfeld berücksichtigt werden. Denn das Licht, das eine schwarze Fassade absorbiert, geht als Streulicht für die Umgebung verloren.

Fassadengestaltung: Künstler im Interview
Worauf müssen Sie achten, wenn Sie Farbe an die Fassade bringen wollen? Die Mappe hat die erfolgreichen Fassadenkünstler Oliver Kray, Klaus Rebel und Kirstin Bachmann über die Do's und Dont's der Fassadengestaltung befragt. Die Mappe hat drei erfolgreiche Fassadenkünstler über die Do's und Dont's der Fassadengestaltung befragt. Oliver Kray hat sich als Fassadenkünstler einen Namen gemacht. Zudem arbeitet er als Designer für die unterschiedlichsten Bereiche der Industrie. Seine Kunstwerke zieren Gebäude jeder Größe und Funktion. Der Berliner arbeitet mit Malerbetrieben in ganz Deutschland zusammen. Klaus Rebel führt in vierter Generation einen Malerbetrieb in München. Der Malermeister beschäftigt an die 100 Mitarbeiter. Neben Farbgestaltungen bietet der Betrieb auch Betonsanierung und die Anbringung von Wärmedämm-Verbundsystemen an. [ttt-gallery-image][ttt-gallery-image] Kirstin Bachmann ist Architektin und Farbdesignerin und arbeitet für das Farbdesign-Studio von Caparol. Nach 13jähriger Tätigkeit in dem Unternehmen weiß sie, welche Farbtöne für welche Bauelemente und Untergründe geeignet sind und wie sie an einer Fassade wirken. [ttt-gallery-image] 1. Was sind für Sie persönlich wichtige Gestaltungsregeln? Oliver Kray: »Auch wenn ich früher vielleicht anders darüber gedacht habe, ist es besonders wichtig, die Architektur des Gebäudes genau in Betracht zu ziehen, egal ob man eine einfache Gestaltung mit Farbflächen macht oder ein Kunstwerk an eine Fassade oder Giebelfassade aufbringen will.« Kirsten Bachmann: »Bei der Fassade sollte man auch die Putzstruktur mit einbeziehen, da die Struktur den Farbton in sich dunkler erscheinen lässt.« Klaus Rebel: »Man kann darf und soll auch Akzente setzen, aber bitte mit Gefühl und nicht mit Gewalt.« [ttt-gallery-image] 2. Was muss der Maler unbedingt beachten? Kirsten Bachmann: »Das A und O ist, bereits im Vorfeld eine Musterfläche von mindestens einem Quadratmeter auf dem Originaluntergrund zu erstellen um das Ergebnis abzusichern und die Entscheidung zu erleichtern.« Klaus Rebel: »Die Funktion des Gebäudes, das Umfeld, die Nachbargebäude, den Zeitgeist, die Stilepochen, die vorhandenen Formen und Fassadengliederungen, die Beleuchtung.« Oliver Kray: »Der Maler sollte nur Farben wählen, die zu einander passen. Dafür gibt es heutzutage eine riesige Auswahl an Literatur, Kollektionsvorschlägen und Farbmuster-Vorlagen. Es ist sicher ratsam, am Anfang mit weniger kontrastreichen Farbkombinationen zu arbeiten. Mit wachsender Erfahrung kann man sich an intensivere Farbgestaltungen trauen.« [ttt-gallery-image] 3. Was sind die häufigsten Fehler an der Fassade? Klaus Rebel: »Zu schrille, leuchtende Farben, bei Gebäuden, wo es überhaupt nicht angebracht ist, z. B. bei schönen alten Stilfassaden. Leider wird ausgerechnet von uns Malern IMMer wider der Fehler gemacht, dass wir meinen, unserem Kunden etwas ganz besonderes verkaufen zu müssen und dann über die Stränge schlagen.«. Oliver Kray: »IMMer wieder sehe ich in Deutschland Fassadengestaltungen bei denen zu starke Farbtöne mit zu schwachen oder pastelligen Farben kombiniert worden sind. Das geht gar nicht und tut mir jedes Mal richtig Leid für teilweise wirklich schönen Alt- und Neubaufassaden.« Kirsten Bachmann: »In der Regel werden die meisten Fassaden zu hell gestrichen oder zu gesättigt. Das sind dann die Häuser, die einem auffallen, aber leider nicht IMMer positiv.« [ttt-gallery-image] 4. Wie viel Farbigkeit verträgt eine Fassade? Oliver Kray:»Im Grunde bin ich der Meinung, dass fast alles möglich ist. Ähnlich wie in der Kunst, sind auch bei der Gestaltung von Fassaden kaum Grenzen bei der Farbgebung gesetzt, solange man ein gutes Gesamtkonzept hat und die Farbharmonien beachtet.« Kirsten Bachmann: »Als Gegenfrage möchte ich gern diskutieren, wie viel Weiß und Gelb an Fassaden gestalterisch sinnvoll ist.« Klaus Rebel: »Farbigkeit ja, aber bitte professionell und IMMer im Einklang mit der Architektur und auch mit der Natur. Zu viele Blockstreifen und bunte Häuser erzeugen Disharmonie und Augenschmerzen und beeinflussen die Psyche.« Fotos: privat
Lesen Sie weiter in
5
Foto: manuta/Adobe Stock
Kleine
Zurück
Speichern
Nach oben